15. Reisebericht in KaWe - Kurier 16/04

Mongolei IV
Gobi, 26. August - 2. September, km 15800

Wüste ist nicht gleich Wüste. Während unsere früheren Vorstellungen von Wüste sofort Assoziationen von Sanddünen über Sanddünen hervorriefen, können wir mittlerweile davon ein viel genaueres Bild zeichnen. Es gibt mehrere Arten von Wüsten, wobei die Wüste Gobi vorrangig als Steinwüste gehandelt wird. Auch wachsen hier verschiedenartige Pflanzen, die den Boden zwar meist nur sehr karg bedecken, aber sich durchaus hartnäckig bis tief in die Wüste ihr Überleben gesichert haben.

Die ersten Probleme gemeistert führt uns unser Weg noch tiefer ins Ödland hinein. Der einzige Fluss der Gobi dient uns als Orientierung. Der Ogni fliesst von Norden nach Süden und bedeutet Lebensader für viele Wüstenbewohner. Ein Blick auf unsere Karte eröffnet uns ein neues Problem. Wir müssen den Fluss von West nach Ost überqueren, nur gestaltet sich das ohne Brücke etwas kompliziert. So fahren wir erst einmal auf einer schmalen Piste in südliche Richtung. Der Weg gabelt sich. Was nun? Um den Fluss nicht vollends zu verlieren, nehmen wir den linken Abzweig. Dann wird der Weg zum Pfad und der Pfad verliert sich irgendwo im unwegsamen Hügelland. Kein Risiko eingehend fahren wir an die Stelle zurück, wo wir den Fluss zum letzten Mal gesehen haben und steuern querfeldein auf dessen Ufer zu. Koste es was es wolle, wir müssen durch diesen Fluss!

Am gegenüberliegenden Ufer ist schon von Weitem ein Touricamp zu erkennen. Mehrere weiss leuchtende Jurten stehen in drei Reihen nebeneinander. Einige Mongolen, die eigentlich nie fehlen, auch in einer Wüste nicht, ermutigen uns zur Durchquerung des kniehohen, relativ zügig dahinfliessenden Wassers. Skeptisch packen wir ab, tragen die Ausrüstung durchs kühle Nass und waten dabei nach der seichtesten Stelle suchend zum anderen Ufer. Nach kurzer Erörterung der Problematik entschliesse ich mich schräg mit der Strömung zu fahren. Lo hat die Kamera bereits im Anschlag. Falls ich kippe soll er erst ein Foto machen, und mir dann zur Hilfe eilen.

Ich starte meine Maschine und komme mir nun vor, wie ein Artist auf dem Drahtseil. Trommelwirbel sorgt für erhöhte Spannung. Mein Herz pocht, ich versuche mich zu konzentrieren, bereit, jedes unplanmässige Verhalten meiner Yami im Flussbett sofort zu korrigieren. Eine Schleife fahrend peile ich meine favorisierte Stelle am Ufer an. Gleich die ersten Meter nach dem Ufer sind die Tiefsten. Das Vorderrad versinkt fast vollständig in den Fluten. Nun gibt es kein zurück mehr. Stetig behutsam am Gasgriff drehend gebe ich der Maschine mehr Stabilität in der starken Strömung. Zu schnell darf ich nicht fahren, da die so entstehende Bugwelle Wasser in den Vergaser befördern könnte. Die Reifen haben sicheren Halt auf dem Grund. Meine Beine schlaff eingeknickt streifen nur die Wasseroberfläche. Schon wird das Wasser seichter. Poh, - geschafft! Mein Herz krabbelt aus der Hose wieder an seinen gewohnten Platz. Gleich nochmal! Aber wir dürfen kein Risiko eingehen. Lo steht bereit. "It's Showtime!", rufe ich und halte seine Flussdurchfahrt mit Abenteuerathmosphäre ebenfalls in Bildern fest. Auch er meistert den Ogni mit Bravour. Die umherstehenden Mongolen klatschen und ich muss schmunzeln. Wann hat man schon mal in Deutschland die Möglichkeit, durch einen Fluss zu fahren...?

Wir schlagen am Ufer vor den Jurten unser Zelt auf und unterhalten uns mit der sehr gastfreundlichen Campleiterin. Am nächsten Morgen verabschieden wir uns und fahren weiter 'gen Süden. Der Weg führt durch trockene Flussbette. Feinster Sand macht uns das Vorankommen schwierig. Tief graben sich die Räder in den weichen Untergrund. Konzentration pur und ein nicht versiegen wollender Schweissfilm auf der Haut beschreiben die nächsten Kilometer. Es hilft kein Fluchen, denn es gibt nur diesen einen Weg. Irgendwann verlässt der Weg das an den Kräften zehrende Flussbett.

Wieder auf festem Untergrund tragen uns unsere Krads raus aus den Bergen und eine weite Ebene liegt vor uns. Neben einer Jurte grast ein Kamel. Tatsächlich ist es ein richtiges Kamel. Dessen Besitzer lässt uns schon mal Probe sitzen und ich muss zugeben, mit zwei Airbags vor und hinter mir habe ich ein recht sicheres Gefühl auf solch einem Wüstenschiff. Später queren noch ganze Kamelherden unseren Weg. Dabei bereitet es uns ein besonderes Vergnügen, die ausgesprochene Neugier der Tiere zu studieren. Nur, wenn wir sie fotografieren wollen, erwischen wir stets nur ihre Hinterteile.

Nach mehreren hundert Kilometern nähern wir uns einem kleinen Ort. Unsere Vorräte sind langsam aufgebraucht und so begebe ich mich ins Ortszentrum. Der Wind fegt über den grossen Dorfplatz. Die Sonne drückt mir ihre Mittagshitze ins Gesicht. Sie zwingt mich, die Augen zusammenzukneifen. An der Peripherie stehen die einzigen Steinhäuser des Ortes. Ihre weissen Fassaden hellen das Bild ein wenig auf. Neben mir knarrt eine schwere Eisentür, gegenüber fällt eine andere dumpf ins Schloss. Weit und breit keine Menschenseele, sofort kommt mir eine Melodie in den Sinn. "Spiel mir das Lied vom Tod" passt exakt zu dieser Szenerie. Dann werde ich aus meinem Westerntraum gerissen. Ein Jeep rast dicht an mir vorbei. Nach längerem Suchen finde ich einen verträumten Dorfladen. Hier gehen unsere letzten Taler für etwas Brot, Wasser und Pasta drauf. Bis Dalanzagat, dem südlichsten Punkt unserer Wüstensafari muss der spartanische Proviant reichen.

Ohne Unterernährung laufen wir in Dalanzagat ein. Nun trennen uns noch 500 Kilometer von Ulaan-Bator. Die letzte Etappe lässt uns noch einmal den Glanz der Wüste Gobi erleben. Mit unsagbarer Souveränität demonstrierte sie uns ihre Stärke und gleichzeitig ihre Schönheit. Ohne Zweifel hat sie unsere Ehrfurcht und Bewunderung verdient.